Chaos macht Schule bei KulturBilder #6 "medien@kulturelle_bildung"

Klubreihe zur Kulturellen Bildung im Podewil, 12.02.2015

Der unten stehende Artikel gibt meinen Beitrag für die Veranstaltung Kulturbilder #6 medien@kulturelle_bildung im Rahmen der "Klubreihe zur Kulturellen Bildung" wieder. Thema war die Rolle die Medien in der kulturellen Bildung. Die Klubreihe ist inhaltlich und personell an den Berliner Projektfonds kulturelle Bildung angesiedelt. Ich war eingeladen den Junghackertag als Aktion von Chaos macht Schule vorzustellen, einer Initiative des Chaos Computer Clubs, für die ich mich seit 2011 ehrenamtlich engagiere.

Im Laufe der Veranstaltung spielten Jugendliche eine Radiosendung für multicult.fm ein, sangen, rappten und führten ein Live-Interview mit dem Theaterregisseur Nurkan Erpulat durch. Jurek Sehrt von der Stiftung Kinemathek berichtete von einem Trickfilm-Projekt an der Kinematek im Rahmen von "Kultur macht stark". In der anschließenden Diskussionsrunde äußerten sich verschiedene Anwesende, u.a. Brigitta Gabrin (multicult.fm) Bernd Gabler (Jugend- und Familienstiftung des Landes Berlin JFSB / Jugend-Demokratiefonds Berlin), Michael Hackenberger (Landesinstitut für Schule und Medien Berlin Brandenburg LISUM), Julian Kulasza (WeTeK Berlin e.V.), Michael Lange (Metaversa e.V.), Annette Ullrich (Stiftung wannseeFORUM). Die Moderation lag bei Moritz von Rappard der Kulturprojekte Berlin.

Die offene Diskussionsrunde medien@kulturelle Bildung

Die verschiedenen Projekten machten die Herangehensweisen an Kultur und Medien deutlich. Während kultur.fm und Kinematek Beiträge für die Medienlandschaft erarbeiteten, sehen wir unseren Schwerpunkt als Chaos macht Schule in der Rolle der Vermittlung von technischem Grundwissen. Wir betrachten insbesondere Medientechnik als eine die Gesellschaft stark beeinflussende Kulturtechnik, die es in den Mechanismen zu verstehen gilt.

In der offenen Diskussionsrunde wurden Probleme verbalisiert, die die Vermittlung von Medienkompetenz in der Kulturbildung mit sich bringt. Es wurde klar, dass für die Umsetzung der Projekte mehr strukturelle Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, da sonst keine nachhaltige Wirkung erzielt werden kann.

Insgesamt, so wurde konstatiert, steht der kulturellen Bildung wie der Bildung überhaupt, zu wenig Geld und Ressourcen zur Verfügung.

Ein ausführlicher Podcast findet sich unter:

Teil 1 (Beitrag zu Chaos macht Schule bei 45 min): mixcloud1
Teil 2 (Diskussion mit allen Anwesenden): mixcloud2


Chaos macht Schule - roots and arts

Was ist Chaos macht Schule und was passiert am Junghackertag?

Ich habe mir für diesen Vortrag erlaubt, auf die Wurzeln des Chaos Computer Clubs (CCC) zu schauen, mit Emphases auf seinen Bildungsauftrag, der durch Wau Holland, einem der Gründer des CCC, maßgeblich inspiriert wurde.

Der CCC wurde 1981 gegründet und ist mit seinen über 3600 Mitgliedern eine stetig wachsende Hackervereinigung, die größte in Europa. Jährlich findet der Chaos Communication Congress statt.

In der Präambel des CCC ist vermerkt:
"Der Chaos Computer Club ist eine galaktische Gemeinschaft von Lebewesen, unabhängig von Alter, Geschlecht und Abstammung sowie gesellschaftlicher Stellung, die sich grenzüberschreitend für Informationsfreiheit einsetzt und mit den Auswirkungen von Technologien auf die Gesellschaft sowie das einzelne Lebewesen beschäftigt und das Wissen um diese Entwicklung fördert."

Im §2 zu Zweck und Gemeinnützigkeit des CCC:
"Der Club fördert und unterstützt Vorhaben der Bildung und Volksbildung in Hinsicht neuer technischer Entwicklungen, sowie Kunst und Kultur im Sinne der Präambel oder führt diese durch."

Die Roots des CCC: Aufklärung und Forschung von und mit Computern

Akademieschliessung von Jörg Boström. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons

Die enge Verknüpfung von Informationsfreiheit, Technologie und Kunst ist schon in der Vor-Gründerzeit des CCC augenscheinlich: Wau Holland, der mit bürgerlichen Namen Herwart Holland-Moritz hieß, (geb. 20.12.1951, verst. 29.07.2001) installierte seinen ersten Computer 1980 in der Freien Internationalen Universität (FIU) von Joseph Beuys. Beuys setzte sich über Zulassungsbeschränkungen weg und ermöglichte allen Interessierten das Studium, also den freien Zugang zu Information und die Beteiligung an der Wissensgenerierung.

Wau Holland

Wau machte den CCC bekannt, unter anderem durch die Veröffentlichung von Selbstbausätzen für schnellere Modems in der von ihm gegründeten CCC-Zeitschrift Datenschleuder. Das Anschließen eines Selbstbaumodems wurde härter bestraft als das fahrlässige Auslösen einer atomaren Explosion, meinte er. Das subversive Moment wurde von Anfang in Wau erkannt. Die Hacker von 1984 träumten von der "maschinenlesbare Regierung", dem Prinzip des Open Governments. Wau zitiert Heinrich Heine, der an einer Grenze auf die Frage nach verbotenen Büchern antwortete: "Mein Kopf ist ein Vogelnest voller verbotener Bücher".

Aufklärung und Forschung von und mit Computern, so formulierte Wau den Auftrag des CCC. Dies praktizierte er neben Artikeln und provokanten Hacks auch im schulischen Kontext in Jena.

Wau erklärte seine Bildungsgrundsätze in einem Interview über Komplexität und Management im Chaosradio, 2000:
Schüler sollten befähigt werden, sich selbst zu unterrichten. Schon davor, 1998, hatte er erklärt, dass das Internet mehr und mehr Kultur entwickle und schöne Informationen zu finden seien wie klassische Litaratur und Informationen zu Geschichte und Allgemeinwissen. Die Heranwachsenden sollten lernen, als "Trüffelschweine" zu fungieren, aus den Informationsmassen des Internets gute Informationen zu ziehen und diese für sich zu nutzen. Die Lehrer sollten befähigt werden, Schüler zu beaufsichtigen, auch wenn sie selbst nicht begreifen um was es geht. Ältere Schüler sollten Fähigkeiten erlangen, jüngere Schüler zu unterrichten, also angeeignetes Wissen weiter zu geben und zu teilen. Dies alles seien Grundfähigkeiten, die schon in die Grundschule zu integrieren wären.

Diese Grundsätze können noch bis heute als gültige Leitlinien für die Medienbildung in der Schule gelten.

Chaos macht Schule

Junghackertag 30c3

Chaos macht Schule hat sich 2005 als Initiative des Chaos Computer Clubs gegründet und vermittelt in erster Linie Medienkompetenz basierend auf einem grundlegendem Technikverständnis. Das Prinzip ist zu hinterfragen und Dinge neu zu entdecken, der kindlichen Neugier zu folgen und wissen zu wollen, "was da drin ist". So erklären wir auch das Internet und schauen nach. Wir machen die Black Box Internet auf und gucken, wie das technisch geht, welche Menschen mit welchen (kommerziellen bzw. politischen) Interessen dahinter stehen. Inspiriert ist der freien Umgang mit Technik vom Gedanken des Hacken. Das heißt auch, konventionelle Anwendungen nicht einfach hinzunehmen, statt dessen immer bereit zu sein, die Umwelt nach eigenen Ideen neu zu gestalten. Wenn der Föhn kaputt ist, könnte nicht der Mixer den Job übernehmen? Wie funktioniert eigentlich ein Föhn? Wie kann der Mixer zum Föhn werden? Alltag und Technik wird zur Spielwiese für neue Erfindungen, der Mensch und seine gestalterische Freiheit steht im Mittelpunkt.

Zur Freiheit gehört auch Informationsfreiheit und die Freiheit zu bestimmen, wie mit Informationen über die einzelnen umgegangen wird, der Schwerpunkt von Chaos macht Schule bei Schulbesuchen. So werden Themen behandelt wie Verschlüsselung, Tracking und Gegenmaßnahmen, Tor, dezentrale Dienste oder Datenschutz in sozialen Netzwerken. Freie Software und Creative Commons Lizenzen sind auch gefragt. Nicht unser Thema ist Cybermobbing, da in diesem Fall der Schwerpunkt auf pädagogische Fähigkeiten liegt und weniger auf Technikbildung.
Zielgruppe von Chaos macht Schule sind Schüler, Eltern, Multiplikatoren, Lehrer und Hochschulen.

Der Junghackertag

Der Junghackertag findet jährlich im Rahmen des Chaos Communication Congress statt, der vom CCC ausgerichtet wird. Der Congress ist schon lange kein Treffen einer kleiner verschworenen Gemeinde von Computernerds mehr, 2014 nahmen 12000 Besucher*innen Teil. Die Themen Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung ziehen eine breite Öffentlichkeit an, der Aufwand für die verspielte Technikkultur als Begleiterscheinung des Congresses hat einen enormes Ausmaß angenommen, neben Aktionen wie starbugs Apple TouchID Hack 2013 haben auch Kunstaktionen wie das vor Ort nachgebaute Rohrpostsystem "Seidenstraße" die Aufmerksamkeit der Medien auf den Congress gelenkt.

Dieser nicht-kommerzielle Kongress, der auf die ehrenamtliche Tätigkeit von vielen "Engeln" beruht, bildet den Rahmen für den Junghackertag. An diesem Tag machen wir das, was den Kindern am meisten Spaß macht: praktisches Arbeiten, konkret löten wir den Pentabug. Im allgemeinen gibt es weit mehr interessierte Kinder, als wir in dem Workshop aufnehmen können. Die ehrenamtlichen Mentoren von Chaos macht Schule helfen den Kindern beim Löten und spielen am Ende eine Reihe von vorentwickelten Programmen auf.

Der Pentabug-Workshop

Junghackertag 30c3

Der beliebte Bug besteht aus 25 Bauteilen, die nach einer einfachen Anleitung auf auf eine kleine Platine zu löten sind. Kinder schon ab fünf Jahren finden Spaß daran, mit einem heißen Lötkolben das Lötzinn zu schmelzen und damit Bauteil für Bauteil einen kleinen Roboter entstehen zu lassen. Mentoren des Junghackertags überspielen ein paar vorgefertigte Programme (github-Link zum Download siehe unten) von einem Laptop auf den Mikrocontroller des Pentabugs. Nach etwa zwei bis drei Stunden ist der Bug fertig. Er kann sich auf Geräusche wie Klatschen ein Stück vorwärts bewegen, einer Handy-Taschenlampe folgen, "Alle meine Entchen" spielen und noch mehr. Die CCC-nahe Wau Holland Stiftung unterstützt den Junghackertag, was uns ermöglicht, den Kindern den Pentabug kostenfrei nach Hause mitzugeben.

Kleine Pentabug-Roboterkunde

Pentabug

Wie das Hacker-Design der Platine schon vermuten lässt, ist dieser minimale Einplatinen-Roboter eine Entwicklung des Erfas Dresden (ein "Erfahrungsaustauschkreis" des CCC). Als Roboter ist er mit Licht- und Klangsensoren ausgestattet, kann also Helligkeit "sehen" mittels LEDs und Geräusche "hören" durch einen sogen. Piezo-Buzzer. Herz und Hirn ist ein in Elektronik-Bastlerkreisen gebräuchlicher Mikrocontroller (=erweiterter Prozessor für Interaktivität) aus der Atmel AVR-Reihe. Ein Vibrationsmotor für Mobiltelefone versetzt den Pentabug in Vibration, wodurch er sich auf seinen angeklebten Holzbeinchen vorwärts bewegt. Das feine Austarieren des Schwerpunkts, so dass dieser Effekt entsteht, ist eine ingenieurstechnische Meisterleistung, wie die Dresdener gerne betonen ;)


Links

Wau Holland und der Chaos Computerclub:
CCC Satzung
Chaosradio 2005, Wau Holland: Komplexität und Management, mp4
http://chaosradio.ccc.de
CRE189 Chaos macht Schule mit Tim Pritlove, Peter Hecko, Florian Grunow vom CCC Mannheim

Der Pentabug:
Löt-Video, ("art of soldering" á la Bob Ross, Anmerkung von mir)
Tutorial
github Programme

Junghackertag auf dem 31c3